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Wer war Wilhelm Griesinger?

Wilhelm Griesinger (* 1817, † 1868, Nervenarzt und Internist),  war die bedeutendste Figur der deutschen Psychiatrie seiner Zeit. Nach Studienjahren in Tübingen, Zürich, Wien und Paris arbeitete und lehrte er in Kiel, Tübingen, Zürich und zuletzt an der Charité in Berlin. Griesinger vertrat eine aus heutiger Sicht bemerkenswert moderne, mehr-dimensionale Psychiatrie. Damit grenzte er sich stark von den damaligen Strömungen ab, die jeweils einseitig und untereinander konkurrierend psychische Störungen entweder als Ausdruck allgemein­medizinischer Krankheiten oder aber als Folge moralischer Verfehlungen und eines „falschen“, sündenhaften Lebenswandels betrachteten.

Griesinger betonte, dass psychische Krankheiten grundsätzlich Krankheiten des Gehirns seien. Entsprechend setzte er sich für die Integration der psychiatrischen in die medizinische Versor­gung ein. Er sah aber auch die Bedeutung der indivi­duellen Lebensge­schichte und der sozialen und familiären Situation des Kranken entspre­chend einem modernen bio-psycho-sozialen Modell.

Besonders bemerkenswert sind die therapeu­tischen Vorstellungen von Griesinger, die ihn als bedeutenden Vordenker und Reformer des psychiatrischen Faches erscheinen lassen. Er verfocht das Ziel, dass die psychisch Kranken nicht mehr in abgeschotteten, ländlichen Heilanstalten, sondern gemeindenah in sog. Stadtasylen unter ärztlicher Leitung wie Patienten mit organischen Krankhei­ten behandelt werden. Griesinger lehnte Zwangsmaßnahmen ab, er war von einem humanitärem Geist erfüllt und wollte erreichen, dass auch chronisch psychisch Kranke so viel Normalität und Teilhabe am sozialen Leben wie nur möglich erfahren. So propa­gierte er Alternativen zur Kranken­haus­behandlung wie die Aufnahme der Kranken in Gastfa­milien oder das freie Leben und Arbeiten in Patien­tengemeinschaften in landwirtschaftlichen Betrie­ben (Arbeitstherapie). Seine Mitstreiter sprechen von Geduld und sanfter Bestimmtheit gegenüber den Kranken, Gemütswärme und aufmerksamem Zuhören.

Wilhelm Griesinger gilt als ein Vorreiter der sozialen Reformpsychiatrie. Er war seiner Zeit weit voraus und konnte viele seiner visionären Vorstellungen nicht verwirklichen. Einige seiner Ideen wurden erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts von der Psychiatrie-Enquete aufgegriffen.

 

Literatur:

W. Griesinger. Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten. Saarbrücken : VDM, Müller, 2006, [Nachdr. der] 2., umgearbeitete und sehr vermehrte Aufl. [Stuttgart, Krabbe, 1861]

G. Detlefs. Wilhelm Griesingers Ansätze zur Psychiatriereform. - Pfaffenweiler : Centaurus-Verl.-Ges., 1993

H. Schott, R. Tölle. Magna Charta der Psychiatrie: Leben und Werk von Wilhelm Griesinger. In:      

H. Schott, R. Tölle. Geschichte der Psychiatrie. Krankheitslehren – Irrwege – Behandlungsformen. Verlag Beck, München   

P. Hoff, H. Hippius. Wilhelm Griesinger – sein Psychiatrieverständnis aus historischer und aktueller Perspektive. Der Nervenarzt 2001, 72: 885-892